Renault dominiert nicht nur das Geschäft in Marokko, sondern betreibt als einziger Hersteller in der Region ein eigenes Werk: In Tanger wurde im vergangenen Jahr die Produktion des Dacia Lodgy gestartet. 2015 sollen dort 6000 Mitarbeiter bis zu 400.000 Autos im Jahr bauen, meldet die Zentrale in Paris. Einfach ist die Erschließung solcher Märkte allerdings nicht: Die Hersteller kämpfen nicht nur mit politischer Instabilität und teilweise korrupten Strukturen, sondern auch mit logistischen Hürden. Die Straßen sind schlecht, die Händlernetze unterentwickelt und der Treibstoff ist oft nicht sauber genug für moderne Motoren aus Europa. Für die Händler- und Pressepräsentation des neuen Range Rover in Marokko hat Land Rover deshalb eigenen Sprit importiert.
Und Seat-Chef Muir schickt gerade eine Truppe von Entwicklern durch Nordafrika, damit sie Benzin und Diesel unter die Lupe nehmen. Denn für technische Anpassungen wie bei den China- Modellen seien die Stückzahlen dann doch zu gering, sagt Muir. Zwar sehen Marktbeobachter wie Automobilwirtschaftler Ferdinand Dudenhöffer in Nordafrika allenfalls ein „Bonsai-China“, das Absatzeinbrüche in Südeuropa lediglich mildern, aber nicht ausgleichen könne. Doch habe die Region unbestritten großes Potenzial. Der Markt werde heute durch Algerien, Ägypten und Marokko bestimmt, Tunesien und Libyen seien noch nicht relevant, sagt Marcus Berret von Roland Berger. Er schätzt die Region im abgelaufenen Jahr auf 800.000 Neuzulassungen.Dank wirtschaftlichem Wachstum und geringem Motorisierungsgrad – auf 1000 Ägypter kommen 30 Autos – rechnet Berret aber mit deutlichem Wachstum: „Wir erwarten ein Plus im mittleren bis hohen einstelligen Prozentbereich.“ Profitieren werden vor allem französische Hersteller mit ihren preiswerten Modellen. „Deutschen Herstellern bietet die Region zunächst nur wenig Wachstumspotenzial.“ Zwar warnt Franz-Josef Esch vom Automotive Institute for Management davor, dass der Vorteil geringer Lohnkosten teilweise von der relativ geringen Qualifikation der Arbeiter konterkariert wird. Doch laut Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft ist Nordafrika für die Europäer nicht nur als Absatzregion interessant, sondern auch als Low-Cost-Produktionsbasis. Das für mehr Absatz nötige Wirtschaftswachstum könnte die Automobilindustrie mit ihren lokalen Fertigungsanlagen dabei sogar selbst ankurbeln. Und auch die Politik könnte ihren Beitrag dazu leisten, glaubt der Professor: „Die bessere Alternative zur Entwicklungshilfe wären Handelsabkommen mit Nordafrika, die dort die Automobilproduktionen erleichtern.“Hoffnung jenseits des Mittelmeers
Auf der Suche nach einem Ausgleich für die nachlassenden Verkäufe vor allem in Südeuropa entdeckt die Automobilindustrie jetzt den Norden Afrikas. „Allein in Marokko, Tunesien und Algerien leben 350 Millionen potenzielle Kunden, die unsere gesamte Branche bislang sträflich vernachlässigt hat“, sagt Seat- Chef James Muir.
Dacia fertigt in Tanger