Geschäft statt Geschichte

Monterey. Hinten der Patent-Motorwagen, vorne ein Maybach Zeppelin, immer wieder der Flügeltürer und draußen überall das edelste Altmetall aus dem Werksmuseum – als Erfinder des Autos inszeniert Mercedes beim Concours d'Elegance in Pebble Beach vor allem seine Geschichte. Doch an diesem Abend werfen die Schwaben den Blick nicht zurück, sondern nach vorn. Denn als Traumwagen von Übermorgen hat Designchef Gorden Wagener zum Auftakt des Concours die Studie Vision Mercedes-Maybach 6 enthüllt – einen knapp sechs Meter langer Supersportwagen mit Flügeltüren und 750 PS starkem Elektroantrieb. Und auch wenn niemand im "Star-Tent" am Rande des Greens einen Hehl daraus macht, dass diese Vision nie Wirklichkeit wird, hätte Mercedes den Wagen allein bei der Premiere schon ein paar Mal verkaufen können. Egal zu welchem Preis. Denn Geld spielt fast keine Rolle, wenn mit den berühmtesten Oldtimern der Welt auch die reichsten Autonarren nach Kalifornien kommen.

Mercedes ist mit diesem Auftritt deshalb auch nicht alleine. Sondern längst ist aus dem Concours-Wochenende die "Monterey Car Week" geworden, bei der es mehr ums Geschäft als um die Geschichte geht. Enthüllungen wie die von Mercedes, Ausstellungen auf jedem zweiten Golfplatz und millionenschwere Testflotten in den Auffahrten traumhafter Villen machen das Event zu einer Art Motorshow im Smoking, zu der vor allem die Premium-Hersteller groß auffahren.

So hat nur wenige Minuten nach Mercedes auch Cadillac eine neue Studie enthüllt. In einer Luxusvilla über der Bucht von Monterey hat Markenchef Johan de Nysschen vor mehreren hundert geladenen Gästen das Tuch von der Coupé-Limousine Escala gezogen, die bald das neue Flaggschiff CT6 flankieren könnte. Mit 5,35 Metern noch einmal knapp 20 Zentimeter länger als das Top-Modell und sehr viel leidenschaftlicher gezeichnet, zielt der Viersitzer auf Grenzgänger wie den Audi A7, den Mercedes CLS oder den Porsche Panamera und hat gute Chancen auf eine Serienfertigung. Nicht umsonst will de Nysschen in den nächsten Jahren satte 12 Milliarden Dollar in die "größte Produktoffensive der Cadillac-Geschichte" stecken. Da sollte es für eine simple Karosserievariante noch reichen.

Und BMW hat nicht nur mehr als 60 Rennwagen aus dem Werksmuseum zu den Historic Races nach Laguna Seca geschafft, sondern ebenfalls eine Studie mitgebracht. Aus der schon zur Villa d'Este gezeigten Hommage an den 2002ti ist jetzt ein "Turbomeister" geworden, der den Jägermeister-Look der Rennwagen aus den frühen Siebzigern übernimmt und die Hoffnung auf eine nachgeschärfte Variante des M2 mit über 400 Turbo-PS schürt.

Die Mercedes-Premiere auf dem Green von Pebble Beach, Cadillac in einer millionenschweren Designer-Villa und BMW beim vorgezogenen "Oktoberfest" auf dem Laguna Raceway – selbst die exklusivsten Locations rund um Pebble Beach verblassen allerdings gegen das "Motorsport Gathering" auf der von den Peninsula-Hotels betriebene Quail Lodge, wo zu leiser Live-Musik, Champagner und Kaviar eine spektakuläre Mischung aus sündhaft teuren Oldtimern und leistungsstarken Neuwagen präsentiert wird.

Obwohl die Tickets 600 Dollar kosten, sind sie so begehrt, dass es schon Wochen vorher eine Warteliste gibt. Wer leer ausgeht, bummelt einfach über den Parkplatz und sieht schon dort mehr Luxuslimousinen und Supersportwagen vereint als vor dem Casino in Monaco oder einem Fünf-Sterne-Hotel in den Emiraten.

Jenseits der strengen Eingangskontrolle fährt die Industrie allerdings erst richtig auf und zeigt vor allem Sonder- und Kleinserien, die mit dem Reiz des Raren spielen. Die "Black Badge"-Editionen von Rolls-Royce, den GT-R von Mercedes-AMG, der Lamborghini Centenario als Roadster, der Bentley Mulsanne mit extra langem Radstand oder der Aston Martin Vanquish Volante als Zagato – rasende Raritäten, wo man auch hinschaut.

Und der Aufwand scheint sich zu lohnen. Wie andere Leute sich nach einem Konzert ein Poster kaufen, zückt ein Millionär bei The Quail mal eben die Kreditkarte für einen Pagani. Bugatti-Marketing-Chef rechnet für das Event mit einem Dutzend Orders für den Chiron und der japanische Designer Ken Okuyama muss schon am Vormittag den Begleittext für seinen spektakulären Ferrari-Umbau „Kode57“ ändern. Obwohl dreimal so teuer wie das Original, wird der extreme Roadster nun doch kein Einzelstück bleiben. "Wir haben bereits vier weitere Bestellungen."

Das Geld sitzt locker bei den Auto-Afficionados in Pebble Beach und Träume werden nicht lange geträumt, sondern erfüllt. Für künftige Traumwagen wie den BMW "Turbomeister", den Cadillac Escala oder den Maybach 6 sind das nicht die schlechtesten Vorzeichen.