Wolfsburg. Die Autohersteller stecken in der Zwickmühle: Auf der einen Seite müssen sie immer mehr Features und Funktionen im Fahrzeug unterbringen. Auf der anderen Seite aber wollen sie den Fahrer nicht über Gebühr ablenken, sondern ihn so weit als möglich entlasten. Riesige Tastenfelder im Cockpit verbieten sich da. Deshalb entwickeln die Hersteller neue Bediensysteme, die für Ruhe und Ordnung im Armaturenbrett sorgen und mit situationsgerechten Menüs eine intuitive Funktionsauswahl ermöglichen sollen.
Vorbild Tesla Model S
In einem ersten Schritt setzen die Hersteller dabei vor allem auf größere und empfindlichere Bildschirme. Inspiriert und unter Zugzwang gesetzt vom 17-Zoll-Display des Tesla Model S rüsten sie zumindest in ihren Studien gehörig nach: Im VW Golf R Touch gibt es deshalb neben dem virtuellen Cockpit aus dem Audi TT und einem jetzt digital umgesetzten Control-Center für Klima & Co. einen 12,8-Zoll-Bildschirm für das Infotainment. Hyundai experimentiert mit einem beweglichen Tablet-Computer von der Größe eines A3-Zeichenblocks, und wenn BMW im Herbst den neuen Siebener an den Start bringt, kann man die iDrive-Funktionen künftig erstmals auch direkt auf dem Bildschirm anwählen.
Wischen öffnet Schiebedach
Als Ergänzung zu den Touchscreens experimentieren immer mehr Unternehmen mit einer erweiterten Gestensteuerung. Nachdem bislang nur Näherungssensoren eingesetzt wurden, um frühzeitig Menüs aufpoppen zu lassen, werden künftig wahlweise mit Kameras oder Infrarottechnik zahlreiche Gesten erkannt und direkt umgesetzt. In der Golf-Studie kann man mit einem Wischen am Himmel das Schiebedach öffnen. Wenn die Hand vor der Flanke des Sitzes entlangstreicht, surrt man näher ans Lenkrad. Und ein Winken links vom Lenkrad aktiviert die Scheinwerfer.
BMW übernimmt solche Lösungen als Ergänzung zum iDrive-Controller im neuen Siebener erstmals in die Serie. Eine einladende Handbewegung reicht, um eingehende Telefonate anzunehmen, mit einem Wischen weist man den Anrufer ab. Formen die Finger einen Kreis, kann man die Lautstärke ändern, und ein doppelter Fingerzeig lässt sich den Entwicklern zufolge mit einer Funktion nach Wahl des Fahrers belegen. Ein weiterer Trend sind Tablet-Computer für die Unterhaltung der Fahrgäste auf den hinteren Sitzen. Gemeinsam mit den Herstellern programmiert und über WLAN oder Bluetooth in die Fahrzeugelektronik integriert, kann man auf ihnen im Auto tief in dessen Bediensystem eingreifen und außerhalb des Wagens surfen oder mailen wie auf einem iPad. Und anders als die umfängliche Gestensteuerung in der Golf-Studie oder der Riesenbildschirm bei Hyundai ist das keine Zukunftsmusik mehr: Schon in diesem Jahr gehen die Auto-Pads im neuen Audi Q7 und im BMW Siebener in Serie.
Bedienelemente überall
Große Touchscreens in der Mittelkonsole und Gestensensoren an allen neuralgischen Punkten – Mercedes-Interieur-Designchef Hartmut Sinkwitz geht das noch nicht weit genug. Weil es spätestens im autonomen Auto keinen festen Fahrerplatz mehr gibt und man das Auto von jedem Sitz aus kommandieren kann, setzt er bei der Studie F 015 auf komplett virtuelle Instrumente: „Mit Näherungssensoren, Blick- und Gestensteuerung tauchen die Bedienelemente immer und überall dort auf, wo man sie gerade braucht.“