Die dunkle Seite der Digitalisierung

Karsten Zimmer ist ein gefragter Experte, wenn es um die Sicherheit im Netz geht. Und seit einiger Zeit wird er auch zunehmend von Unternehmen aus der Autobranche um Rat gefragt: "In letzter Zeit erhalten wir gehäuft Anfragen von Autohäusern und KMUs bezüglich Stresstests, sogenannte Penetra­tionstests, für deren IT-Infrastruktur. Hierbei geht es darum, Löcher in den Netzwerken aufzudecken."

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) nennt Cyber-Sicherheit eine "wesentliche Voraussetzung für das Gelingen der Digitalisierung in Deutschland" und warnt: „Die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung durch Entwicklungen wie dem Internet der Dinge, Industrie 4.0 oder Smart Everything bieten Cyber-Angreifern fast täglich neue Angriffsflächen."

IT-Experte Zimmer, der unter anderem für das Bundeskriminalamt und den Bundestag arbeitet, spürt solche Sicherheitslücken auf. "Das Fabriktor ist zu, aber alle digitalen Leitungen sind sperrangelweit offen." Hier setzt Zimmer an, wenn er sich im Auftrag von Firmen oder Institutionen in Netzwerke hackt.

Das Bewusstsein für die Risiken der digitalen Technologie ist noch unterent­wickelt, doch die Bedrohungen sind da – und richten allein im deutschsprachigen EU-Raum ­einen Schaden von mindestens 100 Milliarden Euro pro Jahr an. Zimmer: "2016 war definitiv das Jahr der Ransomware, und es ­waren verstärkt Autohäuser be­troffen."

Mit Ransomware sperren Angreifer den Computer und erpressen damit Geld. „Die sprunghaft angestiegenen Fälle von Ransomware verdeutlichen eindrucksvoll, wie verwundbar mittlerweile das alltägliche Leben für Cyber-Angriffe geworden ist“, bilanzierte das BSI in seinem Jahresbericht 2016.

Ransomware habe viele Unternehmen lahmgelegt, bestätigt Zimmer. „Sie hatten keinen Zugriff mehr auf ihre Infrastruktur. Die Erpresser greifen auch die Autoindustrie verstärkt an, das will ich bewusst machen." Dazu hackt sich der IT-Experte zum Beispiel in vernetzte Fahrzeuge.

"Das Connected Car wird nicht bedroht von Usern, die böse sind, sondern von denen, die das Böse zulassen", betont er. "Für meine Sicherheit bin ich selbst verantwortlich, wenn ich hier nichts tue, nützt alle Sicherheitstechnik nichts."

Was ein Hackerangriff aufs Auto im Ernstfall bedeuten kann, macht er drastisch klar: "Ransomware auf dem Firmenrechner ist fatal. In der Autoindustrie ist sie lebensgefährlich, weil während der Fahrt Bremse, Gas und Lenkung manipuliert werden können." Das Fahrzeug zu sperren sei noch "der harmloseste Fall".

Als potenzielles Einfallstor für Hacker gilt das Notrufsystem eCall. Deshalb müsse sich die Beratung in den Autohäusern ändern, fordert der IT-Experte. "eCall ist eine wunderbare Sache, um von außen auf das System zuzugreifen – aber es bietet eben auch Kriminellen einen weiteren Angriffspunkt."

Verbreitet sind auch APT-Angriffe (kurz für „Advanced Persistent Threat“). Dabei wird erst über ­einen längeren Zeitraum spioniert, um danach alle digitalen Spuren zu verwischen. Solche Angriffe können alle Firmen treffen,die zwar nach außen gut abgeschirmt, aber intern

Können die Hacker das Autohaus-System nicht direkt angreifen, dringen sie über externe Kontakte wie Lieferanten, Kunden oder andere ­Autohäuser in das eigentliche Netz ein, erläutert Zimmer. Fatalerweise ­reagieren geprellte Firmen genau dann häufig falsch und schweigen – "weil sie befürchten, teure Auf­la­gen erfüllen zu müssen, um Lücken zu schließen", so der Sicherheits­experte. Genau das spiele den ­Hackern in die Hand, "weil Sicherheitslücken nicht geschlossen werden."

Ein Sicherheitsrisiko stellt auch die Cloud dar. "Die Daten kommen in die Cloud, damit sie einer klaut", sagen nicht nur Spötter. "Solange die Cloud offen ist wie ein Buch, kann ich von der Nutzung nur abraten", warnt Zimmer. Gleichzeitig stellt er klar: "Das Problem ist nicht die Cloud selbst, sondern der Umgang damit. Hacker haben zu 99 Prozent Zugriff auf Daten, weil die Nutzer Fehler machen."

Und das sind nicht selten die eigenen Mitarbeiter. Doch nicht immer hat Datenklau einen kriminellen Hintergrund. "Oft ist es Fahrlässigkeit", sagt Zimmer, "zum Beispiel durch Datentransfer auf private Rechner, die in der Regel schlechter geschützt sind."

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