China bleibt wichtig

Peking. Vor wenigen Tagen lief im südchinesischen Nanchang der erste Ford Everest vom Band, ein mächtiger Sport-Geländewagen. Mit seiner Premium-Ausstattung und seiner Dynamik sei das Auto für die vielen SUV-Fans in China attraktiv, teilte Ford China mit – und verwies auf die SUV-Verkäufe: In den ersten sieben Monaten legten sie um 47 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu, auf knapp drei Millionen Fahrzeuge.

Damit erschöpfen sich allerdings die guten Nachrichten vom chinesischen Automarkt. Dieser durchleidet eine Schwächephase, von der noch niemand weiß, wie lange sie anhalten wird. Zusätzlich zum abgeschwächten Wachstum von sieben Prozent im ersten Halbjahr setzen den Autobauern der Einbruch an der Börse und die Abwertung der Landeswährung Yuan zu. Statt eines Aufwärtstrends meldeten im Juli viele Hersteller weitere Einbrüche.

Premium-Marktführer Audi hat 12,5 Prozent weniger Autos als im Vorjahresmonat verkauft, BMW 7,4 Prozent weniger. Die Volkswagen-Gruppe China gibt nur Quartalszahlen heraus: Im ersten Halbjahr sank der China-Absatz um 3,9 Prozent. Insgesamt schrumpften die Autoverkäufe im Juli um 6,6 Prozent auf 1,27 Millionen – es ist der dritte Minus-Monat in Folge.

Mercedes, Toyota und Honda sind gegen den Trend gewachsen – alle drei aber aufgrund überwundener Schwierigkeiten, die die Verkäufe in der Vergangenheit gedrosselt hatten. Daimler etwa hatte Probleme mit der Struktur seines Händlernetzes, die japanischen Autobauer mit einem politischen Konflikt zwischen Tokio und Peking. Mercedes hat zudem derzeit einige besonders aktuelle Modelle im Angebot.

Generell aber glauben Beobachter, dass sich der Markt erholen wird. Denn eines gilt weiterhin: Die Autodichte ist gering, der Wunsch nach Mobilität groß. „Ende 2014 gab es auf 1000 Menschen 107 Fahrzeuge und nur 70 bis 80 Pkw“, sagt Yale Zhang, Direktor von Automotive Foresight in Schanghai. „Die Wirtschaft wächst zwar langsamer, aber auch sechs Prozent sind ja so schlecht gar nicht.“

Gegenwärtig aber ist die Stimmung mies. „Viele Menschen sorgen sich um die Zukunft. Und wer Angst hat, gibt kein Geld aus“, sagt ein Autohändler, der nicht genannt werden will. Trotzdem gebe es weiterhin Druck der Autobauer, Fahrzeuge abzunehmen. „Sie wollen so viele Autos wie möglich in den Markt bekommen.“ Jeder ist bemüht, zumindest den Marktanteil zu halten.

Das Auf und Ab am Aktienmarkt habe dem Autosektor massiv geschadet, sagt Zhang. „Während des Börsenhypes im Frühjahr wurden allein in vier Monaten 32 Millionen neue Börsenkonten angelegt. Anstatt ihr Geld auszugeben, wollten die Menschen es an der Börse vermehren.“ Autokäufe wurden verschoben. Und nun haben viele dieser Neu-Anleger große Teile dieses Geldes verloren.

Mitte August wertete zudem die Zentralbank den Yuan um 4,4 Prozent gegenüber dem Dollar ab. Das drückt in der Landeswährung verbuchte Gewinne der Autobauer. Und es verteuert die im ersten Halbjahr ohnehin um 24 Prozent gefallenen Importe – ohne dass die Automarken diese Kosten an ihre Kunden weitergeben können. Eingeführt werden vor allem Premium- und Luxusmodelle. Und auf diese müssen die Händler laut Zhang derzeit Preisnachlässe von zehn bis 15 Prozent gewähren, damit sie ihre Wagen verkaufen können.

Die Firmen sehen lieber das langfristige Potenzial. General Motors erwartet, dass die jährlichen Verkäufe von heute 20 Millionen im Lauf der nächsten Dekade auf 35 Millionen Autos steigen. „Wir erleben diese Unbeständigkeit in allen Schwellenländern“, sagte kürzlich BMW-Vorstandschef Harald Krüger. Vor allem für Luxusmodelle ist China laut Krüger aber immer noch ein Wachstumsmarkt.

„Langfristig sind wir sehr optimistisch, was China angeht“, betonte jetzt auch Ford-Einkaufschef Hau Thai-Tang. Noch hat außer Toyota kein Unternehmen angekündigt, den Ausbau von Kapazitäten zu strecken. Volkswagen legt die Planung nach Angaben einer Sprecherin auf fünf Jahre aus und beobachtet den Markt genau. Bisher laufen alle Bauprojekte weiter.

Analyst Zhang rechnet damit, dass zum Jahresende hin viele Kleinanleger kalte Füße bekommen und ihre Börsenkonten auflösen. Zhang: „Sie haben gelernt, dass es zu riskant ist, dort zu spekulieren.“ Das Geld wäre dann wieder frei – beispielsweise für den Kauf eines mächtigen Sport-Geländewagens.