Automotive-WLAN kontra LTE-V

München. Wer macht das Rennen um die Vernetzung von Automobilen per Car-to-Car-Kommunikation: Die Hersteller von WLAN-Technologie oder die Mobilfunknetzbetreiber? Mobilfunker auf der einen sowie Mobilhersteller und -zulieferer auf der anderen Seite, favorisieren offenbar unterschiedliche Wege.

Von der Car-to-X-Kommunikation erwarten viele Experten einen Schub für das autonome Fahren. Lange schien klar, dass die Datenübertragung zwischen Automobilen untereinander und der Infrastruktur per Automotive-WLAN erfolgen würde. Doch mit LTE-V (V für vehicular) bringen vor allem Mobilfunknetzbetreiber nun einen Wettbewerber ins Spiel.

Car-to-X steht für Car-to-Car- und Car-to-Infrastructure-Kommunikation. Vor allem wenn Fahrzeuge untereinander Sicherheitswarnungen austauschen, zum Beispiel auf ein Stauende, Glatteis oder einen Unfall hinter der nächsten Kurve hinweisen, sollten die Nachrichten schnellstens die anderen Fahrzeuge erreichen.

Dafür kommt selbst LTE, das derzeit modernste verfügbare Mobilfunknetz nicht infrage. Im günstigsten Fall kommen auf diesem Weg die Nachrichten nach knapp einer Zehntelsekunde (100 Millisekunden) an, es können aber auch mehrere Zehntelsekunden vergehen.

Das bereits verfügbare Automotive-WLAN (analog zum Übertragungsstandard Standard 802.11p auch pWLAN genannt) ist im günstigsten Fall 50-mal schneller als normales LTE. "Im Idealfall bei geringer Last liegen die Latenzzeiten von pWLAN im Bereich von zwei bis drei Millisekunden", erläutert Uwe Janssen. Das ist aber nur die halbe Wahrheit, wie der Vice President Innovation und Research der Deutschen Telekom sofort ergänzt: "Bei hohem Datenverkehrsaufkommen können es aber auch mehrere hundert Millisekunden sein."

Der Hintergrund: Wenn eine Nachricht per pWLAN verschickt werden soll, sucht der im Auto installierte Router aufs Geratewohl nach einer freien "Leitung". Sind schon viele Kanäle belegt, dann kann die Suche nach einem freien Kanal ziemlich lange dauern.

So favorisiert die Telekom eine Variante des aktuellen Mobilfunkstandards LTE. Die neue Variante LTE-V – manchmal auch als LTE-V2V bezeichnet – ermöglicht zwar wie pWLAN eine direkte Kommunikation zwischen zwei Fahrzeugen. Aber um ihre volle Leistung zu erreichen, braucht LTE-V die Unterstützung einer LTE-Mobilfunk-Station.

"Bei LTE-V2V erfolgt zuerst innerhalb von zwei bis drei Millisekunden eine Kanalzuweisung und anschließend der eigentliche Sendeprozess, der zehn, maximal 20 Millisekunden erfordert. Entscheidend ist: Diese Reaktionszeiten sind unabhängig von der Netzlast garantiert", erläutert Janssen. Ist keine Basisstation in der Nähe, steht LTE-V vor den gleichen Problemen mit der Kanalsuche wie pWLAN.

Letztlich geht es aber nicht nur um Leistungsdaten, sondern auch um Kosten und um Abhängigkeiten. Automotive-WLAN muss man ins Bordnetz integrieren, nachrüsten gilt als unmöglich. Genannt werden Kosten von zirka 100 Euro pro Fahrzeug. Eine Infrastruktur würde nicht benötigt.

Bei LTE-V wäre es umgekehrt. LTE-Technik, so argumentiert man bei der Deutschen Telekom, werde bei künftigen Fahrzeugen ohnehin an Bord sein. In der Regel reiche dann ein Software-Upgrade, um das Fahrzeug LTE-V-fähig zu machen. Dafür müssten aber die LTE-Basisstationen ausgebaut werden, die die Kanalzuweisungen übernehmen.

Auf der Anwenderseite scheint man mit den von der Telekom herausgestellten Schwächen des pWLAN ganz gut leben zu können: "Automotive WLAN eignet sich ideal durch die direkte Kommunikation zwischen Fahrzeugen und deren näherem Umfeld vor allem bei sicherheitskritischen Informationen wie verdeckten Bremsmanövern, Spurwechseln oder der Kommunikation mit schwächeren Verkehrsteilnehmern", betont etwa Jürgen Kunz aus der Continental-Division Chassis and Safety.

Er erhofft sich von LTE-V zwar noch "grundlegende technische Verbesserungen, wie geringere Latenzzeiten oder die Möglichkeit, den Datenaustausch zu priorisieren". Doch Standards, Frequenzbereich, Verfügbarkeit, Zeitschiene sowie Geschäftsmodelle seien "derzeit noch unbekannt".

Das Resümee von Kunz: Continental ist "für eine möglichst rasche Markteinführung" von Car-to-X-Kommunikation. Dafür sei "der fertig spezifizierte Standard via Automotive WLAN ideal. LTE-V2X sollte aber zusätzlich weiterentwickelt, validiert und getestet werden, um eine Einführung alternativ zu Automotive WLAN zu einem späteren Zeitpunkt vorzubereiten."

Auch bei Daimler hält sich die Begeisterung für LTE-V derzeit in Grenzen: Für große Teile der Car-to-Car-Kommunikation reiche normales LTE aus. Und "wenn es wirklich um schnelle Datenübertragung geht – etwa wenn man an Car-to-X-basierte Bremssysteme oder Ähnliches denkt – kommt man um pWLAN ohnehin nicht herum", erläuterte ein Unternehmenssprecher der Automobilwoche.

Daimler nennt als Ziel, "ein hybrides System anzubieten, das sowohl Mobilfunk-basiert Meldungen empfängt und sendet, als auch pWLAN-basiert kommunizieren kann".

Insofern ist die aktuelle Mercedes-Benz-E-Klasse nur ein erster Schritt. Dort "bieten wir als erster Automobilhersteller der Welt ein Car-to-X System an, das Warnmeldungen sowohl manuell als auch automatisch absetzen kann", hebt Mathias Hartl, Car-to-X-Experte bei Daimler, hervor. Bei Gefahren werde der Fahrer gewarnt.

Realisiert hat Mercedes-Benz diese Funktion mit Hilfe der aktuellen Mobilfunknetze. Dadurch sei die Funktion in Europa, China und den USA verfügbar. Hartl setzt große Hoffnungen in netzgebundene, neue Mobilfunktechnologien: "Durch die Weiterentwicklung des Mobilfunkstandards von LTE 4G nach LTE 5G werden Bandbreiten und Übertragungszeiten realisiert, die bisher nicht vorstellbar waren. Dadurch werden sich für Car-to-X ganz neue Möglichkeiten eröffnen."