Ein Tweet, der Herbert Diess gefällt

Es gibt nicht viele Manager, für die Tesla-Boss Elon Musk lobende Worte findet. Und dann sogar extra einen Tweet für sie absetzt. Für VW-Chef Herbert Diess macht er eine Ausnahme. "Diess verdient viel Anerkennung dafür, dass er VW schnell in Richtung Elektrifizierung bewegt hat", twittererte Musk. Und fügte Richtung Wolfsburg hinzu: "Sie haben Glück, ihn zu haben." Diess las es mit Freude. "Danke, Elon, dass du immer über den Tellerrand hinausschaust", twitterte er zurück.

Die Unterstützung Musks kann der VW-Chef gut gebrauchen. Nach dem Machtkampf mit dem Betriebsrat im vergangenen Jahr musste er Macht abgeben. Bei der Softwareschmiede Cariad, für die Diess seit dem Jahreswechsel die Verantwortung trägt, läuft es alles andere als rund.

Anlass für das Lob Musks war ein Interview, dass Diess wenige Tage zuvor dem US-Sender CBS gegeben hatte. "Tesla ist weit voraus, das muss ich zugeben", hatte der VW-Chef dort gesagt. Und hinzugefügt: "Es ist sehr gesund für uns, einen neuen Wettbewerber zu haben." Auf Twitter legte er dann noch nach und dankte Musk dafür, dass er mit dem starken Börsenwert von Tesla die Marktkapitalisierung der Branche stärke und mit dem Bau des neuen Werks in Grünheide bei Berlin helfe, "die deutsche Bürokratie zu durchbrechen".

Es ist nicht das erste Mal, dass Musk dem VW-Chef per Tweet den Rücken stärkt. Schon als Diess im Dieselskandal vor Gericht sollte, war ihm Musk beigesprungen: "Herbert Diess tut mehr für die Elektrifizierung als jeder andere große Autohersteller", schrieb er damals auf Twitter. "Das Wohl der Welt sollte zuerst kommen. Er hat auf jeden Fall meine Unterstützung." Dass er zugleich VW als wichtigsten Herausforderer für Tesla sieht, ist für ihn kein Problem. 

Zwischen Diess und Musk, die sich gegenseitig Herbert und Elon nennen, besteht seit Jahren ein ungewöhnlich enges Verhältnis. Die beiden tauschen sich regelmäßig aus, meist per E-Mail, manchmal greifen sie auch zum Telefon. Jeder hat die Mobil-Nummer des anderen. 2020 legte Musk auf Deutschland-Besuch sogar 
einen Zwischenstopp am Flughafen Braunschweig ein, um mit Diess eine Runde im ID.3 zu drehen. "Nicht schlecht", lobte Musk. Diess postete das Video auf LinkedIn. 

Im vergangenen Herbst räumte Musk sogar seinen Terminkalander für Diess frei. Beim Führungskräftetreffen des Wolfsburger Konzerns Mitte Oktober im österreichischen Alpbach schaltete Musk sich als Überraschungsgast per Video in die Runde, live per Webcam aus seinem neuen Büro in Texas. Eine Stunde lang sprach Musk angeregt mit Diess über Elektroautos, die Chipkrise und den steigenden Bedarf an Batteriezellen. Und hatte am Ende auch noch Zeit für Fragen. Was er ihm denn rate, wollte Porsche-Chef Oliver Blume wissen. Musk: "Den 911er zu elektrifizieren."

Der Auftritt des Tesla-Lenkers kam nicht bei jedem der VW-Manager im Saal gut an. Ob es wirklich nötig sei, dem wichtigsten Konkurrenten bei einem internen Treffen ein Podium zu bieten, fragten sich manche, die von den ständigen Tesla-Vergleichen des eigenen Chefs genervt sind. "Das stimmt, sie mögen es nicht", räumte Diess nun auch im Interview mit CBS ein. Und strahlte dabei in die Kamera.

"Elon Musk ist mit seinen Überlegungen und Zukunftsprojekten oftmals zwei Schritte voraus", sagt der VW-Chef über Musk. "Er ist derjenige, der mit seinem Unternehmen im Bereich Mobilität aktuell die meisten Veränderungen anstößt." Dass Diess gleichzeitig vor Tesla warnt und seine Mitarbeiter ständig mit Tesla-Vergleichen antreibt, ist für ihn kein Widerspruch. Musk tue der gesamten Branche gut. "Wir müssen diesen Wettbewerb annehmen." Und spätestens 2025, so Diess’ erklärtes Ziel, will er Tesla als weltgrößten Elektroautobauer ablösen.

Es hätte es auch ganz anders kommen können. 2014, als Diess noch Entwicklungsvorstand bei BMW war, soll Musk ihm sogar den CEO-Posten bei Tesla angeboten haben. Musk selbst hätte sich auf die Rolle des Verwaltungsratspräsidenten konzentriert. Dem Vernehmen nach lag sogar schon ein unterschriftsreifer Vertrag vor. Doch Diess schlug das Angebot aus und wechselte stattdessen zu VW. Übel genommen hat ihm Musk das offenbar nicht. Diess war lange einer der wenigen aus der klassischen Automobilindustrie, der den Newcomer ernst nahm. Und das bereits zu einem Zeitpunkt, als andere noch über Tesla lachten und lästerten. Das hat Musk nicht vergessen.

Die Konzernchefs sind sich strategisch sehr ähnlich. Beide setzen sie radikal auf batteriebetriebene Elektromobilität und halten das für alternativlos. Beide bauen sie Gigafactories, um sich mit Batteriezellen zu versorgen – Musk hat sie schon, Diess beginnt damit. Beide haben kein Problem mit Gegenwind. Beide mögen es, die Rolle des CEO als Kommunikationsmittel einzusetzen, vor allem in den sozialen Medien (Musk Twitter, Diess eher LinkedIn). Nur dass Musk Twitter gleich übernehmen will, das wird Diess bei LinkedIn nicht passieren. Der eine ist nun mal Unternehmer, der andere Manager – dies ist der größte Unterschied.