Paris/Freising. Was haben das Raumschiff Enterprise und der Renault Espace gemeinsam? Beide waren ihrer Zeit um Lichtjahre voraus. Denn genauso futuristisch, wie den Fernsehzuschauern damals die Abenteuer von Captain Kirk erschienen, so wirkte auf die Autofahrer auch die Großraumlimousine aus Frankreich, als sie im März 1984 zum ersten Mal auf dem Genfer Salon stand.
Zwar gab es damals schon einen VW Bus, die Amerikaner hatten den Chrysler Voyager und die Japaner einen Nissan Prairie. «Aber der eine war ein Lieferwagen und die anderen Exoten, die man eigentlich nur aus dem Urlaub kannte», sagt Renault-Experte und Espace-Stammkunde Michael Fischer aus Freising, für den der Fremdling aus Frankreich den Beginn einer neuen Zeitrechnung markiert.
Was den Espace für ihn so besonders machte, das war sein immenses Platzangebot: Mit 4,25 Metern kaum länger als ein VW Golf, aber dank des weit nach vorn gerückten Cockpits unter der flachen Scheibe und dem ebenen Wagenboden im direkten Vergleich so geräumig wie ein Reisebus. So war er der erste Pkw, in dem man wirklich Kind und Kegel mitnehmen konnte. Und die ganzen Sportgeräte, die von der Freizeitgesellschaft plötzlich entdeckt wurden. «Klappe auf, Fahrrad rein und ab ins Grüne, mit welchem Auto ging das schon?», erinnert sich Fischer an das ganz eigene Lebensgefühl, das einen im Espace erfasste. «Autos zum Leben - nie hat ein Slogan besser zu Modell und Marke gepasst als damals bei Renault und beim Espace.»
Dazu konnte der Raumkreuzer noch mit ein paar pfiffigen Details überraschen. Zum Beispiel war damals die Fernbedienung für das Türschloss eine kleine Sensation. Klapptische oder Leselampen an den Sitzlehnen kannte vor 30 Jahren auch noch niemand. Und wenn Mercedes die drehbaren Vordersitze der futuristischen Studie F 015 als Revolution feiert, können sie darüber bei Renault nur lachen: Beim Espace konnte man nicht nur die Einzelsitze im Fond nahezu beliebig versetzen oder ausbauen, sondern auch die beiden Sessel in der ersten Reihe nach hinten drehen.
Allerdings war der Espace derart exotisch, dass er sich erst warmlaufen musste: Nicht nur die Journalisten taten sich schwer mit der Einordnung, auch die Kunden konnten sich nicht so recht für den Wagen erwärmen. Nur 9 Bestellungen soll es im ersten Monat gegeben haben, im ersten Jahr waren es 5923. Gut Ding will Weile haben, kommentiert Fischer und die Statistik gibt ihm recht: Ein Jahr vor dem Modellwechsel 1991 erreicht der Absatz der ersten Generation seinen Höhepunkt, am Ende wurden 191.674 verkauft. Seitdem sind in vier Generationen rund 1,5 Millionen Raumkreuzer zusammengekommen.
Heute dreht sich nach dem Espace keiner mehr um. Die erste Generation trägt mittlerweile ein H-Kennzeichen und beim Wiedersehen lacht man über klobige Anzeigen und darüber, wie leicht die Sitze damals auszubauen waren, als sich noch niemand über Chrashtests für Euro-NCAP-Sterne Gedanken machte.
Und das aktuelle Modell fährt am Bedarf vorbei: Kaum ein anderes Marktsegment ist derart erodiert wie das der großen Vans, seit alle Welt nur noch Crossover oder Geländewagen kauft. Nicht umsonst wurden Espace-Nachahmer wie der Toyota Previa oder der Peugeot 807 mittlerweile ersatzlos gestrichen, auch der VW Sharan steht nach Informationen aus Wolfsburg auf wackligen Füßen, und vom Espace wurden in Deutschland 2014 keine 1000 Exemplare mehr verkauft.