Tesla fordert die Oberklasse-Anbieter heraus

Palo Alto. In den USA ärgert der Elektroauto-Pionier Tesla etablierte Branchengrößen wie Daimler, Audi, BMW oder Porsche im Premiumbereich schon ziemlich. Obwohl das Unternehmen von Tech-Milliardär Elon Musk noch am Anfang seines Wachstums steht und exklusiv auf E-Antrieb setzt, nimmt Tesla der Konkurrenz bei den Oberklasse-Limousinen schon Marktanteile ab. Und: Der Angriff im Massenmarkt steht noch bevor.

"Sogar in den Heimatmärkten unserer Wettbewerber und in Ländern ohne staatliche Förderanreize für Elektroautos gewinnt das Model S", teilt Tesla mit. In ganz Europa habe sich die Elektro-Limousine Model S 2015 demnach besser verkauft als etwa Audi A7 und A8 sowie die Siebener- und Sechser-Serien von BMW zusammen. Das ist schwer zu überprüfen, denn Tesla schlüsselt seine Absatzzahlen nicht auf. Doch Analysten halten die Behauptung für plausibel. Am US-Markt lässt es sich besser veranschaulichen.

Einer Analyse des Branchenexperten Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Institut der Uni Duisburg Essen zufolge hat Tesla in den USA - dem weltweit nach China zweitgrößten Automarkt - mit dem Model S im ersten Quartal die Verkaufslisten in seiner Vergleichsklasse tatsächlich angeführt. Mit etwa 6000 Stück seien dort 1,4 Mal mehr Neuwagen als von der Mercedes S-Klasse abgesetzt worden. BMW Siebener, Audi A8 und Porsche Panamera habe Tesla um das 2,6-, 6,1- und 6,2-fache übertroffen.

Dudenhöffer: "Selbst der Klassiker Porsche 911 sieht in wichtigen Märkten schlecht aus gegen Tesla." Droht den etablierten Autobauern nun eine Art "iPhone-Effekt"? 2007 brachte der damalige Apple-Chef Steve Jobs das Apple-Smartphone auf den Markt und krempelte die Branche damit um. Besonders hart traf es den einstigen Branchenprimus Nokia, dessen Handysparte schließlich im Jahr 2013 von Microsoft übernommen wurde. Musk, der mit Tesla einen ähnlichen Hype entfachte, wird nun bereits mit Jobs verglichen.

Offiziell nimmt man in der Autobranche den Rummel um Tesla wohlwollend zur Kenntnis. Ein BMW-Sprecher: "Wir sind dankbar, dass es Tesla gibt und es die E-Mobilität nach vorne bringt." Elon Musk habe das Thema emotional begehrlich gemacht - und so der gesamten Branche geholfen. Ein Sprecher von Daimler sagt: "Er spielt eine konstruktive Rolle für die Mobilität der Zukunft. Wir haben unsere Strategie, die verfolgen wir konsequent." Technologisch sehen sich die deutschen Hersteller auf Augenhöhe.

Branchenkenner weisen hinter vorgehaltener Hand darauf hin, dass auch bei Tesla nicht alles Gold ist, was glänzt. So zog das einflussreiche US-Verbrauchermagazin "Consumer Reports" im Herbst seine Empfehlung für das Model S zurück - auch weil Tesla-Fahrer sich über Antriebs- und Ladeprobleme sowie Quietschen, Klappern und undichte Stellen an ihren Autos beschwert hatten. Kinderkrankheiten, die Verbraucher anderen Herstellern wohl nicht so einfach durchgehen lassen würden.

Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach sagt: "Das wird verdeckt durch den Riesenerfolg." Erst in der vergangenen Woche rief Tesla seine bislang ausgelieferten E-SUV vom Typ Model X zurück. Bei dem nach Verzögerungen im Herbst 2015 eingeführten Wagen könnten Sitze bei Unfällen unerwartet nach vorn rutschen. Zudem räumte Tesla nach Lieferengpässen ein, seine Fertigungskapazitäten überschätzt zu haben.

Gefährlich wird Tesla den Oberklasse-Herstellern trotzdem noch nicht. Insgesamt 50.580 Autos lieferte das Unternehmen im Jahr 2015 aus - das setzen BMW und Daimler mit ihren Kernmarken weltweit im Schnitt in einer Woche ab. Aber: In Märkten, in denen E-Autos subventioniert werden, trifft Tesla die Konkurrenz teilweise durchaus. Dudenhöffer: "Klammert man die SUV aus, wird der Abstand eher größer zu den Oberklasse-Limousinen der deutschen Autobauer."

Und Musk ist erst am Anfang. Der jüngst vorgestellte Mittelklassewagen Model 3 - Teslas erstes Angebot für die breite Bevölkerung - soll den Weg für die bis 2020 geplante Massenfertigung ebnen. Die Nachfrage ist enorm, Hunderttausende Kunden haben sich schon in die Wartelisten eingetragen und je 1000 Dollar angezahlt. Dudenhöffer sagt: "Man mag sich gar nicht vorstellen, was passiert, wenn das Model 3 in der Produktion ist." (dpa/gem)