Detroit. Detroit, die gebeutelte Autohauptstadt der USA, erlebt gerade eine Renaissance - und das könnte für Barack Obama ein entscheidender Vorteil im Rennen ums Weiße Haus werden. Denn sein Rivale Mitt Romney hat sich nicht gerade viele Freunde unter Amerikas Autobauern gemacht.
«Die Autoindustrie ist mit vielen Arbeitsplätzen und hohen Umsätzen verknüpft», erläutert die Amerikanische Handelskammer in Deutschland die Bedeutung der Branche. «Es ist ein Wirtschaftsthema, das selbstverständlich im Wahlkampf Platz findet.» So besucht Obama auffallend häufig Autofabriken - und wird dort begeistert empfangen.
Die schwere Krise der Autoindustrie war Obamas erste große Bewährungsprobe zu seinem Amtsantritt 2009. Er bewahrte die beiden Schwergewichte General Motors und Chrysler mit Steuermilliarden vor dem Bankrott. Romney dagegen wollte die Autobauer damals in die Pleite schicken. Dabei ist er in Detroit geboren. Sein Vater George war sogar Chef der American Motors Corporation (AMC), die später in Chrysler aufging.
Als «Rückgrat der US-Wirtschaft» hatte Obama die Autoindustrie in ihrer schwersten Krise bezeichnet und den Hunderttausenden Mitarbeitern damit Mut zugesprochen. Für ihn stand es außer Frage, die Autokonzerne zu retten - gegen die Attacken der Republikaner, die den freien Markt verteidigten.
«Präsident Obama stellt eine unmittelbare Verbindung zwischen seiner Amtsführung und der Erholung der Autoindustrie her», erklärt die Handelskammer. In einem Wahlwerbespot warf der Präsident den Republikanern vor, die Arbeiter im Stich gelassen zu haben.
Denn Romney hatte in einem Gastbeitrag für die «New York Times» im November 2008 gefordert: «Let Detroit Go Bankrupt», zu deutsch: «Lasst Detroit pleitegehen». Seine Argumentation: Nur ein solch harter Bruch könne die Automanager wachrütteln und überlebenswichtige Reformen anstoßen. Diese Worte haben ihm viele in der Branche bis heute nicht verziehen.
«Detroit braucht einen Wandel und keinen Scheck», schrieb Romney, der darauf setzte, dass die Autokonzerne schon selbst wieder auf die Beine kommen würden. Obama schrieb den Scheck und die Industrie wandelte sich in einem Tempo wie es kaum jemand für möglich gehalten hätte.
Beispiel Chrysler: Alleine in den ersten vier Monaten stiegen die US-Verkäufe um satte 33 Prozent. Der Hersteller, der mittlerweile zu Fiat gehört, verdiente dank harter Einsparungen nach verlustreichen Jahren zuletzt wieder Millionen. Dafür sorgten neue Modelle, aber auch der allgemeine Aufschwung: Weil die Arbeitslosigkeit sinkt, haben die Menschen wieder mehr Geld in der Tasche oder kommen leichter an Kredite heran.
Auch die deutschen Autobauer machen in den USA glänzende Geschäfte, allen voran VW. Seit Jahresbeginn konnte der Konzern dort 38 Prozent mehr Autos verkaufen als im Vorjahreszeitraum. Das nützt Obama ebenfalls - denn mit dem Passat wird eines der beliebtesten Modelle der Wolfsburger in Amerika gebaut. Auch BMW und Mercedes produzieren vor Ort.
«Wir erwarten, dass die schrittweise Erholung in der Wirtschaft anhält», erklärte GM-Verkaufschef Don Johnson am Dienstag. Der Branchenprimus geht davon aus, dass in diesem Jahr in den USA bis zu 14,5 Millionen Wagen verkauft werden. Auf dem Höhepunkt der Krise im Jahr 2010 waren die Verkäufe auf 10,4 Millionen eingebrochen.
Allerdings gibt es auch Gegenwind: die hohen Benzinpreise. Die Gallone schwankt um die 4 Dollar, was umgerechnet 80 Eurocent pro Liter sind. Vor zwei Jahren waren es keine 3 Dollar, und in der Krise nur 2 Dollar. Da ist es für den Amerikaner auch kein Trost, dass die Europäer deutlich mehr zahlen.
Die Republikaner werfen Obama vor, seine Energiepolitik sei verantwortlich für das Desaster. Er behindere die Ölindustrie und setze sich nicht genug für neue Bohrlizenzen ein. Obama ging vor zwei Wochen in die Offensive. Er legte einen Fünf-Punkte-Plan vor und forderte unter anderem eine stärkere Überwachung des Ölmarktes und härtere Strafen für Manipulationen. Die USA könnten es sich nicht leisten, dass Spekulanten künstlich den Preis hochtrieben. Der autofahrende Wähler wird das gerne gehört haben. (dpa/nib/Foto: Daimler)