Rom. Auf seinem Weg an die Spitze nimmt Sergio Marchionne keine Rücksicht. Der Vorstandschef will den Autobauer Fiat im Verbund mit der US-Tochter Chrysler zum Weltkonzern machen - und verfolgt dabei eine kompromisslose Strategie: Dieser fällt nun auch Luca di Montezemolo zum Opfer. Der vor allem in Italien prominente Ferrari-Chef muss nach 23 Jahren an der Spitze der Marke mit dem schwarzen Pferd auf gelbem Grund gehen.
Nach einem Treffen mit di Montezemolo am Dienstagabend ging alles ganz schnell: Montezemolo verlässt das Unternehmen zum 13. Oktober, Marchionne kann weiter an seinem Weltkonzern feilen und dabei auch die prestigeträchtige Marke Ferrari mehr als bislang einbeziehen - der 62 Jahre alte Manager übernimmt von nun an einfach selbst die Unternehmensleitung. So stellt er sicher, dass Ferrari wie auch die anderen Konzernmarken stärker eingebunden wird - bislang wurde die Firma mehr als eigenständiges Unternehmen geführt. Damit dürfte es jetzt vorbei sein.
Während di Montezemolo Ferraris Positionierung als eigenständige Manufaktur höchst exklusiver Automobile beibehalten wollte, soll Marchionne hier ganz andere Pläne haben. Für ihn soll Ferrari mehr als bisher anderen Konzernmarken dabei helfen, ins lukrative Segment der Premium-Marken vorzustoßen. Ob das auch bedeutend höhere Stückzahlen für Ferrari bedeutet, wissen wohl nur Marchionne und der geschasste di Montezemolo.
Dieser stand aber wohl vor allem Marchionnes großem Ziel im Weg, das dieser seinem Amtsantritt bei Fiat 2004 verfolgt: Den Konzern als zweiten Autokonzern nach Toyota, auf Augenhöhe mit Volkswagen, zu etablieren. Der bislang wichtigste Schritt war die Fusion mit Chrysler, die im Oktober abgeschlossen sein soll. Seinen Weg will Marchionne konsequent und kompromisslos weitergehen - dem Manager sind auch weitere Coups zuzutrauen. Immer wieder tauchen Gerüchte über weitere Zusammenschlüsse etwa mit VW oder Peugeot auf.
Mit seiner knallharten Überlebensstrategie hat sich Marchionne in Italien jedoch nicht nur Freunde gemacht. Sein Ehrgeiz, sein Durchsetzungsvermögen und seine Erfolge beim angeschlagenen Großkonzern werden in Italien zwar durchaus anerkannt, doch gleichzeitig bereiten seine Kompromisslosigkeit den Italienern auch Kopfzerbrechen. Vor allem der Umzug des neuen Konzerns FCA (Fiat Chrysler Automobiles) nach London traf viele seiner Landsleute hart.
Der 1952 in den Abruzzen geborene Marchionne ist Italiener mit kanadischem Pass, er hat in Toronto studiert. Nach mehreren Stationen bei Verpackungsfirmen kam der Anwalt und Wirtschaftsprüfer 2004 zu Fiat. Marchionne ist für seine markigen Worte bekannt - und sein unkonventionelles Auftreten: Auch bei geschäftlichen Anlässen trägt er meist Pullover statt Anzug und Rucksack statt Aktentasche.
Bei Fiat sanierte der Manager kräftig, baute Bürokratie ab, halbierte die Entwicklungszeiten für neue Modelle. Er richtete das gut 100 Jahre alte Unternehmen neu aus und führte es zurück in die schwarzen Zahlen. Vor allem das Zusammengehen mit Chrysler erwies sich als Glücksgriff. "Meine Zukunft wird immer an Fiat gebunden sein. Dies ist meine letzte Stelle, ich möchte nirgendwo anders mehr hingehen", hatte er vor einigen Jahren angekündigt. Welch große Pläne Marchionne mit Fiat noch hat, wird nun nach und nach klar. (dpa-AFX/gem)