Worum geht es bei der Aufsichtsratssitzung?
Das Kontrollgremium wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit offiziell den Abgang von VW-Konzernchef Matthias Müller beschließen. Außerdem werden weitere personelle Veränderungen als auch Veränderungen in den Zuständigkeitsbereichen der Konzernstruktur bekannt geben werden.
Warum kommt das so plötzlich?
Was für die breite Öffentlichkeit plötzlich zu kommen scheint, dürfte generalstabsmäßig vorbereitet gewesen sein. So berichtet etwa die FAZ, dass Herbert Diess seit Monaten am Stuhl von Müller gesägt habe. Der Ex-BMW-Manager soll immer wieder das Gespräch mit Mitgliedern des Aufsichtsrats gesucht haben.
Für diese Theorie spricht auch die Personalie Gunnar Kilian (siehe unten), mit der Diess Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh, der die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat vertritt, für sich gewonnen haben dürfte.
Diverse Medien berichten von Unverständnis und Entrüstung über die Art und Weise, wie Müller aus dem Amt gedrängt wurde. „Die Art und Weise, wie der Wechsel verkündet wurde, ist unsäglich“, zitiert etwa das Handelsblatt aus Vorstandskreisen.
Welche Personalien gelten als sicher?
VW-Marken-Chef Herbert Diess wird an die Spitze des Konzerns wechseln und Matthias Müller damit ablösen. Dem Vernehmen nach, soll er aber auch (vorerst) seine Rolle als VW-Markenvorstand behalten. Damit käme Volkswagen zurück zum "System Winterkorn". Der Ex-VW-Lenker hatte beide Funktionen ebenfalls in Personalunion inne. "Unter Winterkorn und Ferdinand Piëch hat man gesehen, dass die Gefahr des Besserwissers und Alleinentscheiders an der Spitze sehr groß ist", findet nicht nur CAR-Institutsleiter und Branchenbeobachter Ferdinand Dudenhöffer. Auch intern soll es große Zweifel geben, ob Diess damit den richtigen Weg einschlägt.
Karlheinz Blessing, bisher Personalvorstand, wird ebenfalls seinen Platz räumen müssen. Für ihn soll der Generalsekretär des Konzernbetriebsrats, Gunnar Killian, das Vorstandsressort Personal und Organisation übernehmen. Ein Porträt von Gunnar Kilian finden Sie hier.
Spekuliert wird über weitere Köpfe im und rund um den Vorstand. So gilt auch Thomas Sedran, der als Konzern-Strategie-Chef maßgeblich neue Strukturen geprägt hat, als Müller-Vertrauter. Ob er den Wechsel an der Spitze überdauert, ist völlig offen.
Einem Bericht des Handelsblatts nach fühlen sich nach einer ersten Vorstandssitzung einige Mitglieder des Gremiums aber auch von Diess und dem Vorgehen des Aufsichtsrats überfahren. So soll unter anderem Finanzvorstand Frank Witter entrüstet gewesen sein. "Es bestehe nun die Gefahr, dass er oder andere Topmanager von sich aus VW verlassen könnten, hieß es in hochrangigen Kreisen des Wolfsburger Autoherstellers", schreibt das Handelsblatt.
Was wird aus Matthias Müller?
Angeblich ist noch offen, ob Müller bis zum Ende seiner Vertragslaufzeit 2020 eine andere Rolle im Konzern übernimmt. Ob er das nach dieser Rochade möchte, steht auf einem anderen Blatt. Für die Restlaufzeit seines Vertrags kann er auch mit einer Abfindung von etwa 20 Millionen Euro rechnen. Müller ist 64.
Was ist über die neue Struktur bereits bekannt?
Insidern zufolge sollen die Marken des Konzerns in zwei Gruppen gebündelt werden, eine für die Premiummarken wie Audi, Porsche und Bugatti und eine für die Volumenmarken wie VW und Skoda. Einen ähnlichen Vorstoß gab es noch in der Ära Winterkorn.
"Spiegel Online" berichtet sogar von vier Gruppen: Volumen (VW, Skoda, Seat), Premium (Audi), Super-Premium (Porsche, Bentley, Bugatti Lamborghini) und Nutzfahrzeuge (MAN, Scania, VW Nutzfahrzeuge). Ein Sprecher des VW-Aufsichtsrates wollte den Bericht nicht kommentieren. In der Debatte ist seit längerem auch eine separate Ausgliederung des Lkw-Geschäfts unter Führung von Andreas Renschler mitsamt eigenem Börsengang oder eine Holding-Struktur. Den Sitz von VW Truck & Bus könne Renschler nach München verlegen, heißt es.
Das Handelsblatt berichtet zudem, Diess wolle einige Aufgaben wie IT, Digitales und die Aufsicht über die interne Zulieferersparte "Komponente" neu verteilen. Personell fallen IT und Digitales aktuell unter die Zuständigkeit von CIO Martin Hofmann sowie in den Bereich von CDO Johann Jungwirth. Der Bereich Beschaffung fällt unter das Ressort von Garcia Sanz. Der Abgang des Spaniers dürfte in unmittelbarem Zusammenhang mit den Plänen von Diess stehen. Sanz habe unter der neuen Führung nicht arbeiten wollen, heißt es u.a. im Handelsblatt.
Welche Akzente wird der neue Konzernchef Diess wohl setzen?
Diess geht es offensichtlich immer noch nicht effizient genug zu. Er gilt als harter Sanierer und Kostendrücker. Diese Eigenschaft soll seiner Zeit schon Ferdinand Piech, ehemals Vorsitzender des Aufsichtsrats, beeindruckt haben. Er soll maßgeblich am Wechsel Diess' von BMW zu VW beteiligt gewesen sein. Es wird erwartet, dass Diess weitere Synergien innerhalb der angedachten neuen Markengruppen schafft.
Auch die Zulieferer dürften sich auf eine harte Hand einstellen. Bei BMW war Diess als Einkaufsvorstand bei den Lieferanten extrem unbeliebt. Seinem Wechsel ins Entwicklungsressort sollen Drohungen großer Zulieferer vorangegangen sein, die dem Autobauer die Zusammenarbeit kündigenwollten, sollte Diess nicht abgelöst werden. Diess hatte mit den im Einkauf erzielten Einsparungen massiv zum Erfolg des Sparprogramms des damaligen BMW-Chefs Norbert Reithofer beigetragen.
Was erwarten Branchenbeobachter und Politik vom Wechsel an der Konzernspitze?
FDP-Fraktionsvize Michael Theurer hofft nun auf die Übernahme der Kosten für Hardware-Nachrüstungen durch den Konzern. Zudem müsse der neue Vorstandsvorsitzende Forderungen des aktuellen VW-Chefs Matthias Müller nach Einführung von Fahrverboten in Form einer blauen Plakette zurückziehen.
Der SPD-Verkehrspolitiker Sören Bartol erhofft sich durch den geplanten Wechsel an der VW-Spitze eine bessere Zusammenarbeit des Autokonzern mit der Politik. "Ich hoffe, dass die Politik mit einem neuen Konzernchef einen Ansprechpartner bekommt, der auf Dialog und nicht auf Konfrontation setzt", sagte der SPD-Fraktionsvize. "Das setzt jedoch ein Grundverständnis voraus, dass die Hersteller bei der Entwicklung von neuen sauberen Autos noch eine Schippe drauflegen müssen."
Lesen Sie auch:
EXKLUSIV: Garcia Sanz geht, Blume wird Mitglied des Konzern-Vorstands
Neuer VW-Personalvorstand? Die steile Karriere des Gunnar Kilian
Vorstandsumbau im VW-Konzern: Diess soll VW-Markenchef bleiben
VW-Presseschau: "Mit Müller geht ein Rock 'n' Roller"
Gunnar Killian: Das ist der neue VW-Personalvorstand
Aus dem Datencenter: