Ausgerechnet an einem Freitag, dem 13. trat Gunnar Kilian seinen Posten als neuer Personalvorstand des VW-Konzerns an. Mitte April noch waren die Befürchtungen groß, dass Gesamtbetriebsratschef Bernd Osterloh mit Kilian - bis dato Generalsekretär des Konzernbetriebsrats - einen Verbündeten auf dem Vorstandsposten installierte, der im Großen und Ganzen das weiter tun sollte, was er bisher auch getan hat: Dem Betriebsrat und der Gewerkschaft dienen.
Viel wurde getuschelt über mögliche "Deals", die Osterloh mit dem neuen VW-Konzernchef Herbert Diess gemacht habe, damit Kilian ins Top-Management aufsteigen konnte.
Nach den ersten Monaten im Amt zeigt sich jedoch ein anderes Bild. Kilian ist nicht weiter der "Gewerkschaftler", der "den Laden" ja schon lange durch die Brille des Betriebsrats kennt und weiß - oder besser zu wissen glaubt - wie es geht.
"Er hört zu, er nimmt seine neue Rolle sehr ernst und er bewegt etwas", sagte ein hochrangiger VW-Mitarbeiter, der nicht namentlich genannt werden möchte.
Bei ersten öffentlichen und auch internen Auftritten habe er "ein gutes Bild abgegeben", berichten verschiedene VW-Insider übereinstimmend. "Er kommt gut bei den Leuten an", sagt ein langjähriger VWler, der zunächst auch seine Befürchtungen hatte, ob der ehemalige Generalsekretär den Wechsel der Schreibtischseite authentisch vollziehen könnte. Jetzt zeige sich: Kilian emanzipiert sich.
Ein Brief an die Mitarbeiter der Personalabteilung, der der Automobilwoche im Volltext vorliegt, gibt Einblick in das Wirken des neuen Personalvorstands in seinen ersten Monaten. "Wir haben viele große und kleine Aufgaben gemeinsam geleistet", schreibt er.
Die so genannten neuen "Volkswagen Essentials" etwa. Aktionen, die auf Empfehlung des Monitors Larry Thompson gestartet wurden. "Mit ihm (...) haben wir gute Diskussionen, für die ich dankbar bin", schreibt Kilian. Unter anderem gab es Debatten im Rahmen der "KulTour" über die Stärken und Schwächen der bisherigen Unternehmenskultur bei VW. Der Kulturwandel gehe alle an, betont der Personalvorstand: "Und wir erwarten gerade vom Top-Management, dass dieser Kulturwandel auch aktiv vorgelebt wird."
Kilians ganz persönlicher Beitrag zum Kulturwandel ist die Einrichtung eines "Runden Tischs" quer durch das Ressort. Auf regelmäßiger Basis lade er Teams "auf eine Pizza und ein offenes Gespräch ein".
Dies ersten Runden hätten ihm nicht nur Spaß gebracht, sondern auch Hinweise zur Weiterentwicklung des Ressorts gegeben.
Ein entscheidender Hinweis kam aber wohl nicht aus dem Team, sondern vom Monitor höchst persönlich. Auch wenn offiziell von Recommendations (Empfehlungen) die Rede ist, gelten diese inoffiziell als bindend. 32 dieser Empfehlungen hat Larry Thompson in seinem ersten Jahr bei VW ausgesprochen.
Eine davon: Die Ergebnisse der jährlich durchgeführten Stimmungsbarometer müssen mehr Gewicht bekommen.
Bisher werden die Ergebnisse der anonym durchgeführten Umfrage in jeder Abteilung gemeinsam besprochen. Im Brief heißt es wörtlich: "Wir werden die Maßnahmen, die in den Durchsprachen des Stimmungsbarometers entstehen, wirksamer machen. Zudem wollen wir das Stimmungsbarometer klar als Führungsinstrument schärfen."
Das lässt freilich noch Raum für Interpretation, klar dürfte sein: Führungskräfte, deren Abteilungen wiederholt Stimmungswerte "im roten Bereich" aufweisen, müssen künftig wohl mit schärferen Konsequenzen rechnen. Larry Thompson legt offenbar wert auf mehr emotionale Intelligenz und Kompetenz und weniger Hierarchiehörigkeit.
Kilian selbst hat sich zu seinem Antritt ein 100-Tage-Programm mit insgesamt zehn Handlungsfeldern verordnet. "In 42 sehr konkreten Maßnahmenpaketen arbeiten wir bis Ende September an kleinen und größeren Verbesserungen unserer Organisation und unserer Human-Resources-Produkte", schreibt er. Der Brief listet einige auf wie etwa Automatisierung von Routinetätigkeiten, Wegfall von Formularen und dergleichen mehr.
Der Fokus liege eben nicht auf der großen Strategie, "sondern auf Dingen, die den Alltag von uns Personalerinnen und Personalern einfacher machen (...)", heißt es da. Damit macht sich der neue Chef sicherlich beliebt. Auch am Aufbau eines "Recruiting-Center" arbeiten Kilian und die Kollegen. Man hat noch viel vor.
So positiv die Rückmeldungen auf die ersten Monate des neuen Vorstands sein mögen und so vielversprechend die ersten Ergebnisse, eines darf man nicht vergessen: Mit Kilian hat ein zwar jüngeres, aber bestens mit der alten Garde vernetztes VW-Gewächs auf dem Stuhl des Personalchefs Platz genommen.
Kilian war einst Büroleiter des VW-Patriarchen Ferdinand Piech. Noch heute werden ihm beste Drähte nach Salzburg nachgesagt - Strippen, die es sich zur einen oder anderen Gelegenheit immer noch zu ziehen lohnt. Und: Kilian gilt als Machtmensch, der seine Chancen sehr gut zu nutzen weiß und der sein Netzwerk für sich arbeiten lässt. Darüber sollten auch Pizza und Bier nicht hinwegtäuschen.
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