Wenn es Nacht wird in Las Vegas, dann kann man mit der Realität schon mal über Kreuz geraten. Nicht jeder, der einen Rock trägt, ist unbedingt eine Frau. Und nicht alle Frauen tragen Röcke. Auch wenn das Glück an den Spieltischen zum Greifen nah ist, gibt sich Fortuna nur selten die Ehre und nur weil man plötzlich den Eifelturm vor der Nase hat, ist man noch lange nicht in Paris. Selbst auf der Straße kann man seinen Augen nicht trauen, zumindest nicht während der CES. Denn dann ist es so, als hätte die PS-Branche mal eben ein paar Jahre vorgespult und der legendäre "Strip" wird zum Laufsteg für die Technik der Zukunft. In dieser Nacht ist es der Mercedes Urbanetic, der die Grenzen zwischen Wunsch und Wirklichkeit sprengt und die Nachtschwärmer in die Zukunft des öffentlichen Individualverkehrs entführt.
Gut drei Monate nach der Weltpremiere auf der Nutzfahrzeug-IAA in Hannover surrt er elektrisch über die sechsspurige Casino-Magistrale und stiehlt dabei all den vielen Stretchlimousinen genauso die Schau wie den wenigen Bussen und den zahllosen Taxen, die sich selbst morgens um zwei oft nur im Schritttempo am Ceasar's Palace oder dem Venetian vorbei schieben. Und das tut er nicht allein mit seinem auffälligen Design, das ein bisschen nach Zäpfchen auf Rädern aussieht und zugleich an die Architektur Zarah Hadids erinnert. Sondern vor allem mit seiner Technik: Wer den Urbanetic mit der entsprechenden App bucht, der wird an Ort und Stelle abgeholt und traut spätestens dann nicht mehr seinen Augen, wenn sich die Türen öffnen. Denn außer vielleicht ein paar anderen Fahrgästen ist in diesem Bus sonst niemand an Bord, erst recht kein Fahrer. Sondern Lenkrad und Pedale sucht man vergebens und dort, wo bislang der Chauffeur gesessen hat, ist jetzt eine bequeme Bank montiert, auf der drei Passagier Platz lümmeln können – um die Auffassungsgabe nicht ganz über zu strapazieren. Dazu gibt es fünf wie in der Sauna nach oben gestaffelte Sitzplätze auf noch bequemeren Lederstufen gegenüber und in der Mitte vier Stehplätze für die Passagiere, die nur kurz an Bord bleiben.