Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer nutzt das Interview mit der Wirtschaftszeitung Handelsblatt um seinen Ärger über so viele Themen endlich einmal Luft zu machen: Von Fahrverboten als "Symbolpolitik" spricht er da, von nationalen Lösungen, wo doch die EU gefordert sei, den Chancen einer europäischen Batteriezellfabrik und - Flugtaxis, die ganz bald schon kommen sollen.
So emotional, so bildhaft kann Politik sein, denkt man sich beim Lesen des Interviews. Dabei verteilt Scheuer auch noch gute Ratschläge an die Autoindustrie und lässt wissen, welche Mottos ihn leiten. Stellenweise möchte man bei der Lektüre des Gesprächs mit dem Kopf auf die Tischplatte schlagen, aber damit träfe man ja nur sich selbst und nicht den Minister. Ein nutzloses und daher zu unterlassendes Unterfangen also.
Hier die wichtigsten Aussagen des Bundesverkehrsministers im Schnelldurchlauf:
Wie er die Autobranche und deren Akteure derzeit erlebe, wollen die Handelsblatt-Redakteure von Scheuer wissen.
Er sei "verärgert und traurig", weil man Bewältigung der Fehler der Autoindustrie so viel Zeit benötigen, so viel sei schon verstrichen.
Aber damit nicht genug, Scheuer zeigt noch mehr Gefühlsregung: "Und es tut mir im Herzen weh, weil diese Debatten dem Standort und Hunderttausenden von Arbeitsplätzen schaden", klagt er. So viel Mitgefühl von seiten des Ministers rührt schon fast zu Tränen.
Made in Germany habe durch den Diesel-Skandal Kratzer bekommen, stellt er fest. Die Diskussionen dazu finde er "manchmal auch wieder ziemlich masochistisch deutsch". Was genau er damit meint, bleibt leider unklar. Die Redakteure des HB fragen nicht mehr nach. Aber was soll's, viel wichtiger als das Image, ist doch die Frage, wie es mit den Fahrverboten in deutschen Großstädten weitergeht:
"Vieles davon ist grüne Symbolpolitik. Da mache ich nicht mit", ätzt Scheuer. Es sei "geradezu lächerlich", wenn in Hamburg zwei Kilometer Straße gesperrt würden, sich aber alle beim Hafengeburtstag freuen, wenn die "Riesen-Pötte einlaufen mit dem Energiebedarf einer mittelgroßen Stadt". Da hat der Bundesverkehrsminister ausnahmsweise recht.
"Kommt es zu weiteren Rückrufen?", lautet eine weitere Frage. Ausschließen, könne er das nicht. "Wir werden weiterprüfen", verspricht er - oder sollte es heißen, "droht" er?
Dann kommt der ganze Ärger in ihm hoch. "Wir normen auf europäischer Ebene jeden Leuchtmasten", wettert er aber da, wo "Europas Automobilindustrie (...) wirklich mit einer strengen, transparenten und gemeinsamen Typ-Genehmigung Innovationstreiber für den Rest der Welt sein könnte, verfallen wir wieder in nationale Muster."
Ob er meine, dass ausländische Hersteller genauso tricksten, aber von ihren Regierungen geschützt würden? Scheuers Antwort ist klar und deutlich: "Wir prüfen auch Fahrzeuge anderer Hersteller und stellen fest, dass deren Testwerte teilweise durch die Decke schießen. Tun können wir nichts, denn die erhalten ihre Genehmigungen ja bei sich zu Hause. Das ärgert mich in der Tat sehr."
Aber natürlich ist nicht nur die Politik, sondern die Industrie in erster Linie Schuld an dem ganzen Schlamassel: Die Zeiten, in denen deutsche Automanager "vom hohen Ross herunter auf die Konkurrenz schauen konnten", seien vorbei, betont der Bundesverkehrsminister. Die anderen Hersteller schliefen schließlich auch nicht, da müsse man eben mal Tempo machen.
Ein paar tolle unternehmerische Tipps hat der Minister für die Industrie auch noch parat: Vielleicht müsse man in Deutschland mal den Mut haben, schneller zu sein und dafür ein nur zu 95 Prozent ausgereiftes Produkt auf den Markt zu bringen. "Unsere Ingenieure wollen immer noch 130 Prozent", klagt er. Sein Motto: "Obacht geben, länger leben. Wer stehen bleibt, hat schon verloren." Das hört man in den Chefetagen von Wolfsburg, München und Ingolstadt bestimmt gerne, das hilft sicherlich enorm weiter.
Last but noch least bemüht Scheuer auch noch eine Fußball-Metapher. Inhaltlich geht es um die Frage nach einer europäischen Batteriezellfabrik. Er unterstützt das Projekt des Kabinettskollegen Peter Altmaier voll und ganz, sagt Scheuer. Solche strategischen Aufstellungen seien wichtig: "Wir müssen uns auch mal das Trikot schmutzig machen wollen. (...) Wir müssen autark werden an dieser Stelle. Das zeigen ja auch die aktuellen Verwerfungen im Welthandel. Das ist eine europäische Aufgabe."
Schade, dass die Druckausgabe des Handelsblatts an dieser Stelle keinen Tusch liefert, Scheuer hätte ihn sich redlich verdient.
Zum Schluss wird es richtig visionär. Er möge doch eine Prognose wagen, wie Mobilität in Deutschland in zehn Jahren aussehen werde, bitten die Redakteure des Wirtschaftsblatts.
"Ich bin da fantasievoll unterwegs", leitet Scheuer gekonnt ein. Gerade erst habe er mit der Stadt Ingolstadt, Audi und Airbus eine Vereinbarung zum Thema Flugtaxis unterschrieben. "Da denken wir nicht mehr in Fünf-Jahres-Zeiträumen...." Sondern? "Kurzfristiger", sagt Scheuer.
Wollen wir hoffen, dass er mit diesem "Flieg-Zeug" dann weniger Ärger hat als mit den guten alten Autos auf vier Rädern. Wenn der Minister erst in die Luft geht, wird mit Sicherheit alles besser...
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