Henning Kagermann hat eine Industrie-Karriere hinter sich, die ihresgleichen sucht: SAP-Chef, Aufsichtsrat bei BMW, der Post, Deutscher Bank, Nokia und manchen mehr. Einblicke in die deutsche Wirtschaft hat er wahrlich genug.
Auch deshalb hat ihn die Kanzlerin um Mithilfe gebeten. Kagermann leitet seit 2010 die Nationale Plattform E-Mobilität, die den Stromern in Deutschland auf die Sprünge helfen soll.
Im Interview mit dem Handelsblatt geht es daher weniger um Erfolge - soweit ist die E-Mobilität in Deutschland längst noch nicht - sondern um das Scheitern. Etwa, um das nicht erreichte Ziel der eine Million E-Fahrzeuge 2020 auf deutschen Straßen.
Danach gefragt, wie er den Moment erlebt hat, als klar war, dass es nicht mehr zu schaffen sei, sagt Kagermann: "Da war die Ernüchterung in der Tat groß." Und fügt etwas später, als er nach den Gründen für das Scheitern gefragt wird, hinzu: "Jeder trägt seinen Anteil (....) Wir haben mit einem steigenden Ölpreis gerechnet, was nicht eintrat und die Kalkulation zunichtemachte. Die Hersteller selbst hätten vielleicht stärker auf das Premiumsegment setzen sollen, weil der Kunde doch emotional kauft."
Doch Kagermann sieht die Schuld nicht alleine bei den Herstellern, auch wenn er findet, dass die "Vertriebs- und Marketingaktivitäten (in puncto E-Auto, Anm.d.Red.) in den letzten Jahren hätten besser sein können".
Aus dem Nähkästchen plaudernd berichtet er von seinem Versuch Dax-Konzernchefs und Landesregierungen für E-Autos zu begeistern. Er schlug vor, dass diese ihre Flotten umstellen sollten.
"Raten Sie, wie viele Antworten ich bekommen habe?", fragt Kagermann. "Drei", lautet die Antwort. Einer habe schon E-Autos genutzt, einer beschwerte sich über die zu hohen Kosten und die dafür zu geringen Budgets. "Ja, warum habe ich denen denn geschrieben?", ärgert sich Kagermann, "damit sie ihre Budgets erhöhen und mal etwas mehr ausgeben als normalerweise. Ich kann nur sagen: Kauft mehr Elektroautos!"
Die Umweltprämie, mit der die Regierung schließlich eingegriffen habe, um den Markt zu pushen, sieht Kagermann durchaus kritisch. "Wir haben fast ein Jahr verloren, weil alle auf die Prämie gewartet haben", sagt er rückblickend.
Jetzt wird sie kaum genutzt, wenden die Redakteure ein. "So kann man es sehen, aber ohne den Bonus hätten wir nicht diese Steigerungsraten bei den Neuzulassungen", argumentiert der NPE-Leiter.
Und es habe sich noch mehr bewegt, die Haltung von Politik und Industrie zur Batteriezelle etwa. Ob die künftig maßgeblich die Qualität eines E-Mobils bestimmen werde, wollen die Handelsblatt-Redakteure wissen.
"So sehen es inzwischen die Hersteller. Das betrifft zum Beispiel die Performance, den Kaltstart bis hin zu den Ladeeigenschaften und womöglich auch das Recycling. All das sind Fragen der Elektrochemie", stimmt Kagermann zu.
Er sein der Auffassung: "Auch deutsche Unternehmen sollten Batteriezellen produzieren." Sie sei ein systemrelevanter Teil des Fahrzeugs. "Persönlich bin ich (...) der Ansicht, dass es entscheidend ist, in die Forschung an den nächsten Zellgenerationen zu investieren und mittel- bis langfristig eine Batteriezellproduktion als wesentlichen Kern der Wertschöpfung in Deutschland zu haben."
Er sehe aber gleichzeitig ein, dass das finanzielle Risiko für Unternehmen groß sei. Rund 1,3 Milliarden Invest müsse man rechnen und ebenso hohe Kosten pro Jahr. "Wenn Sie da keine Gewinne erzielen, steht schnell viel Geld im Feuer", gibt er zu.
Über seine bisherige Arbeit bei der NPE sagt der 71-Jährige - trotz mancher Widerstände und viel zu leistender Überzeugungsarbeit: "Mir hat es Spaß gemacht." Bemerkenswert.
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